-- WEBONDISK OK --

04016 Freigabe von Beschleunigern und Herausbringen von Beschleunigerteilen aus Strahlenschutzbereichen

Durch medizinische Beschleuniger, die mit Grenzenergien von über 8 MeV betrieben werden, besteht für Gegenstände im Bestrahlungsraum die Möglichkeit einer Aktivierung. Gegenstände aus dem Bestrahlungsraum dürfen daher gem. § 31 ff. StrlSchV nur nach einer Freigabe bzw. der erteilten Ausnahme der Freigabe als nicht radioaktive Stoffe betrachtet werden.
Arbeitshilfen:
von:

1 Regelungsbedarf zur Freigabe

Der Betrieb von medizinischen Linearbeschleunigern bedarf einer Genehmigung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchG. Dieser ist dann zu erteilen, wenn Ausrüstungen vorhanden und Maßnahmen getroffen sind, die bei einer entsprechenden Tätigkeit, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind, damit die Schutzvorschriften eingehalten werden (siehe § 13 Abs. 1 Nr. 6 StrlSchG). Vom Fachausschusses Strahlenschutz (FAS) des Länderausschusses Atomkernenergie wurde dazu im Mai 2022 eine Merkpostenliste zu Antragsunterlagen veröffentlicht.
Neu dabei ist Punkt 13 Beschreibung der Maßnahmen zur Vermeidung von Vorkommnissen.
Risikoanalyse nach § 126 Absatz 1 StrlSchV
Beschreibung des Patientenidentifikationssystems
weitere organisatorische oder technische Maßnahmen zur Vermeidung von Vorkommnissen gem. § 105 StrlSchV
Grundsätzlich werden im Arbeitsschutz Maßnahmen zur Gefahrenminimierung priorisiert. Dabei haben technische Schutzmaßnahmen Vorrang vor organisatorischen oder personenbezogenen Maßnahmen (§ 4 Abs. 2 Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV). Daraus folgert sich die Anschaffung eines technischen Patientenidentifikationssystems, z. B. mittels biometrischer Gesichts- oder Handvenenerkennung.
Neu geregelt ist dabei auch Punkt 18 Umgang mit ausgebauten potentiell aktivierten Anlagenteilen (im Rahmen der Wartung und Reparatur), auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
Die Strahlenschutzverordnung von 2001 besagte in § 29 zur Freigabe:
Der Inhaber einer Genehmigung nach... § 11 Abs. 2 dieser Verordnung darf radioaktive Stoffe sowie bewegliche Gegenstände, Gebäude, Bodenflächen, Anlagen oder Anlagenteile, die aktiviert oder kontaminiert sind…, als nicht radioaktive Stoffe nur verwenden, verwerten, beseitigen, innehaben oder an einen Dritten weitergeben, wenn die zuständige Behörde die Freigabe nach Absatz 2 erteilt hat und nach Absatz 3 die Übereinstimmung mit den im Freigabebescheid festgelegten Anforderungen festgestellt ist...
In der 233. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 19./20. März 2009 [1] wird berichtet: Da das Herausbringen von Anlagenteilen für ausschließlich aktivierte Teile nicht geregelt ist, weist die SSK darauf hin, bei einer entsprechenden Novelle der StrlSchV auch das Herausbringen von ausschließlich aktivierten Teilen zu regeln.
Neue Freigabe § 31 StrlSchV
Die Freigabe gem.§ 31(1) StrlSchV 2018 besagt nun:
Nur nach einer Freigabe dürfen als nicht radioaktive Stoffe verwendet, verwertet, beseitigt, innegehalten oder an einen Dritten weitergegeben werden:
1. radioaktive Stoffe, u. a.
2. bewegliche Gegenstände, Gebäude, Räume, Raumteile und Bauteile, Bodenflächen, Anlagen oder Anlagenteile, die mit radioaktiven Stoffen… kontaminiert sind oder… aktiviert wurden. Einer Freigabe bedürfen insbesondere Stoffe und Gegenstände, die aus Kontrollbereichen stammen, in denen
1.
mit offenen radioaktiven Stoffen umgegangen wird oder wurde,
2.
offene radioaktive Stoffe vorhanden sind oder waren, oder
3.
die Möglichkeit einer Aktivierung bestand.
Satz 1 gilt nicht für Tätigkeiten nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strahlenschutzgesetzes (§ 7 AtG). In der Praxis wurde oft angenommen, dass bisher im Wesentlichen keine Komponenten getauscht wurden, die aktiviert worden sein können. Mit Ausnahme der Demontage eines Beschleunigers, der nur von Firmen mit Abbaugenehmigung erfolgte. Es wurden in der Praxis selten Messungen gemacht, noch seltener Aktivierungen festgestellt und damit sehr selten eine Freigabe nach § 31 StrlSchV beantragt. Diese durfte die Behörde aber nicht erteilen und muss nun daher ein Verfahren zur Ausnahme von der Freigabe gem. § 31 Absatz 5 StrlSchV einleiten.
Bis April 2024 wurde dies in der Auflage 4430 des Bayrischen Landesamt für Umwelt so formuliert, (s. Kasten).
Bei einer Demontage eines Beschleunigers sowie dem Austausch von Teilen hat ein Strahlenschutzbeauftragter für den physikalisch-technischen Bereich Aktivierungsmessungen an den Komponenten durchzuführen, die während des Betriebs aktiviert worden sein können. Die Messungen sind zu dokumentieren. Falls der Beschleuniger oder die ausgebauten Teile verschrottet bzw. abgegeben werden sollen und Aktivierungen festgestellt wurden, ist bezüglich des weiteren Vorgehens unverzüglich Kontakt mit dem LfU aufzunehmen.
Geänderte Auflage 4430
Das Bayerische Landesamt für Umwelt versandte im April 2024 nun eine geänderte Auflage 4430, (s. Kasten).
Für medizinische Beschleuniger, die mit Grenzenergien von über 8 MeV betrieben werden, besteht für Gegenstände aus dem Bestrahlungsraum dürfen daher gem. § 31 ff. StrlSchV nur nach einer Freigabe bzw. der erteilten Ausnahme der Freigabe als nicht radioaktive Stoffe betrachtet werden.
Gegenstände, bei denen eine Aktivierung nicht ausgeschlossen werden kann, bedürfen der Freigabe. Die Lagerung dieser Gegenstände ist unter Beachtung des § 87 StrlSchV gem. Auflage 0410 gestattet. Der Lagerort ist mit Abstimmung mit dem LfU festzulegen. Über diese Gegenstände ist im Sinne des § 85 StrlSchV Buch zu führen. Der Bestand ist dem LfU am Ende eines Kalenderjahres bis zum 31. Januar des folgenden Jahres mitzuteilen. Die Abgabe an einen anderen Genehmigungsinhaber gem. § 94 StrlSchV bzw. die Landessammelstelle ist zulässig.
Für die Entsorgung von Gegenständen, für die eine Aktivierung ausgeschlossen werden kann, wird die Ausnahme von der Freigabe gem. § 31 Abs. 5 StrlSchV erteilt. Für diese Gegenstände ist eine Fachanweisung zu erstellen. In der Anweisung ist die allgemeine Vorgehensweise – insbesondere Mess- und Beurteilungsverfahren – festzulegen. Die erstmalige Entsorgung ist erst nach Vorlage der Anweisung und schriftlicher Zustimmung zu dieser durch das LfU gestattet. Die Anweisung ist stets auf dem neuesten Stand zu halten. Änderungen und Ergänzungen sind dem LfU zur Zustimmung vorzulegen.
Die beweissichernden Messungen gem. § 31 StrlSchV sind zu dokumentieren, 5 Jahre aufzubewahren und dem LfU auf Verlangen vorzulegen.
Der Abbau von Beschleunigern, die mit einer Grenzenergie von über 8 MeV betrieben werden, darf nur durch Inhaber einer entsprechenden Genehmigung nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG erfolgen.
Dieses Schreiben ist ab sofort Bestandteil der oben genannten Genehmigung und wird bei deren nächster Neufassung berücksichtigt werden. Die sonstigen Auflagen und Hinweise des oben genannten Bescheids gelten weiterhin fort. Bitte geben Sie es allen Strahlenschutzbeauftragten gegen Unterschrift zur Kenntnis und legen es den in den Räumlichkeiten aufliegenden Exemplaren des Genehmigungsbescheids bei.
Die Vorgehensweise zum Nachweis, dass keine Kontamination oder Aktivierung vorliegt, ist in einer betrieblichen Unterlage zu beschreiben und durch Angaben zu Art und Umfang der Tätigkeit darzulegen. [2] Die beigefügte Arbeitshilfe liefert Ihnen ein Muster für solch eine Beschreibung.[ 04016_01.pdf]
Falls doch die Freigabe gem. §§ 31 ff. StrlSchV vorliegt:
Wird auf Antrag erteilt
Es muss der Nachweis erbracht werden, dass das Dosiskriterium für die Freigabe eingehalten wird
Dosiskriterium: effektive Dosis für Einzelpersonen der Bevölkerung durch die freizugebenden Stoffe und Gegenstände nur im Bereich von 10 µSv/a auftreten kann (gem. § 31 Absatz 2 StrlSchV)
Nachweis kann über das Einhalten der Freigabewerte in Anlage 4 Tabelle 1 StrlSchV erbracht werden
Verschiedene Arten der Freigabe:
Uneingeschränkte
Spezifische
Freigabe im Einzelfall
Kostenpflichtiger Freigabebescheid (˜150 €)
Uneingeschränkte Freigabe gem. § 35 StrlSchV
Die zuständige Behörde kann davon ausgehen, dass das Dosiskriterium für die Freigabe eingehalten wird, wenn der Antragsteller nachweist, dass für eine uneingeschränkte Freigabe:
1.
die Freigabewerte nach Anlage 4 Tabelle 1 Spalte 3 eingehalten werden,
2.
die Festlegungen nach Anlage 8 Teil A Nummer 1 und Teil B eingehalten werden und
3.
in den Fällen, in denen eine feste Oberfläche vorhanden ist, an der eine Messung der Kontamination möglich ist, die Werte der Oberflächenkontamination nach Anlage 4 Tabelle 1 Spalte 5 eingehalten werden.
Es ist aber auch § 58 (2) zu betrachten
Aufgaben des StrlSch-Verantwortlichen
Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass bewegliche Gegenstände, insbesondere Werkzeuge, Messgeräte, Messvorrichtungen, sonstige Apparate, Anlagenteile oder Kleidungsstücke, die zum Zweck der Handhabung, zum Zweck der Nutzung oder zum Zweck einer sonstigen Verwendung mit dem Ziel einer Wiederverwendung oder Reparatur außerhalb eines Strahlenschutzbereichs aus einem Kontrollbereich herausgebracht werden, daraufhin geprüft werden, ob sie aktiviert oder kontaminiert sind. Die Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 ist nicht erforderlich für Kontrollbereiche, in denen es keine offenen radioaktiven Stoffe gibt und in denen keine Aktivierung erfolgen kann.

2 Berufliche Strahlenexposition am Linearbeschleuniger

In der Empfehlung der SSK findet sich unter „4.2.6.1 Beschleuniger der folgende Text:
„Hohe Dosisleistungen an Beschleunigern außerhalb der Medizin treten während des Betriebs der Einrichtungen auf. Es kann beim Betrieb auch zur Aktivierung von Strukturmaterialien und von Bestandteilen der Luft kommen. Nach Abschaltung und einer Abklingzeit im Bereich von Stunden ist die Dosisleistung durch Aktivierungsprodukte in der Regel weitgehend abgeklungen. Oberflächliche Kontaminationen sind an Beschleunigern von keiner besonderen Bedeutung.” [3]
Der Status Quo in vielen Strahlentherapieeinrichtungen ist, dass mehr als 90 % aller Pläne mit Photonen-Grenzenergien von unter 8 MeV abgestrahlt werden. Bezieht man es noch auf die Größe abgestrahlter MU als Menge an abgegebener Energie ist diese aufgrund der bei hohen Energien wegen dem Neutronenanteil selten verwendeten MU-intensiven VMAT-Technik wohl nur noch im Bereich von <2.5 % mit Grenzenergien von über 8 MeV.
Ziel der Aufsichtsbehörde
Viele MPEs aus Bayern äußerten daher Zweifel an Geeignetheit (Zwischenlagerung, Messung erhöht möglicherweise die Strahlenbelastung der Mitarbeiter), Erforderlichkeit und Angemessenheit (Kosten Bürokratieaufwand + zusätzliche Messmittelkauf). Sie konnten u. a. die Begründung „zum Schutz der Beschäftigten” der Auflagenänderung nicht komplett nachvollziehen. Das Ziel der Aufsichtsbehörde bleibt: Das Handling von Gegenständen aus Beschleunigerräumen rechtlich korrekt, aber für die Praxen/Kliniken umsetzbar zu regeln.

Weiterlesen und den „Strahlenschutz in Medizin und Medizintechnik digital“ 4 Wochen gratis testen:

  • Praxisnahe Erläuterungen zur Umsetzung des StrlSchG und der StrlSchV
  • Materialien zur Mitarbeiterschulung und Unterweisung
  • Onlinezugriff – überall verfügbar


Sie haben schon ein Abonnement oder testen bereits? Hier anmelden

Ihre Anfrage wird bearbeitet.
AuthError LoginModal