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3 Was verlangt die Richtlinie Strahlenschutz?

Herstellerdokumente reichen nicht
In der vorliegenden Richtlinie sind im Kapitel 6.4 die Anforderungen an die Betreiber nuklearmedizinischer Einrichtungen bzgl. der Herstellung und Qualitätskontrolle präzisiert [4]. So unterliegen nun alle zur Anwendung kommenden Kit-Präparationen einer regelmäßig durchzuführenden Qualitätskontrolle. Weiterhin ist deutlich hervorgehoben, dass der Betreiber für seinen Betrieb Arbeitsanweisungen zu erstellen hat, die sich auf die Präparation der einzelnen Kits und auf die entsprechenden Qualitätskontrollen beziehen. Daher reicht es nicht aus, Dokumente (Broschüren, Handouts, Gebrauchsinformationen usw.) der Hersteller oder aus anderen Quellen vorzuhalten, vielmehr ist der Betreiber gefordert, sich mit der Erstellung betriebseigener Dokumente zu befassen. In diesem Zusammenhang sollen die Arbeitsanweisungen ebenso wie in den anderen Bereichen einer nuklearmedizinischen Einrichtung (z. B. Qualitätskontrolle Gammakameras, Untersuchungsprotokolle) auch auf die besonderen Gegebenheiten beim Betreiber eingehen. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auch darauf gelegt werden, wie z. B. mit Abweichungen umgegangen wird. Damit können diese Verfahrensanweisungen z. B. Teil eines Betriebshandbuchs sein, wie es aus QS-Systemen bekannt ist.
Neben den bekannten Vorgaben für die Messung des Molybdän-Durchbruchs (bei Inbetriebnahme und bei einer Betriebsdauer länger als 14 Tage) erhebt die Richtlinie noch weiterreichende Anforderungen bzgl. der Qualitätskontrolle der selbst hergestellten radioaktiven Arzneimittel. Die Richtlinie fordert z. B., sich bei der Qualitätskontrolle von Markierungskits an die Vorgaben des Herstellers bzgl. der Kontrollmethoden zur Prüfung auf radiochemische Reinheit zu halten. Die Richtlinie folgt der gängigen pharmazeutischen Praxis, sich an etablierten Methoden zu orientieren, die auch vom Hersteller validiert wurden und evtl. sogar Bestandteil der Zulassung oder der Pharmazeutischen Monografie sind. Dahin gehend ist auch die Aufforderung zu verstehen, gegebenenfalls die dazu erforderlichen aktuellen Vorgaben vom Hersteller anzufordern.
Regelmäßige Qualitätskontrollen
Weiterhin soll mit Prüfungen in geeigneter Frequenz sichergestellt werden, dass eine ausreichende Markierungsausbeute zuverlässig erreicht wird. Diese Maßnahmen sollen sogar noch intensiver verfolgt werden, wenn beim Betreiber neue oder veränderte Markierungskits oder Radionuklidgeneratoren eingeführt werden oder vermehrt Probleme (bei der Qualitätskontrolle oder in der Bildqualität) aufgetreten sind.
Ein nicht zu unterschätzender Punkt in der Richtlinie ist die Forderung, die vorgesehenen Prüfungen zeitlich so variabel anzulegen, dass auch die maximale Zeit zwischen Präparation und Applikation am Patienten und längere Standzeiten des Nuklidgenerators hinsichtlich der Auswirkung auf die Markierungsausbeute beurteilt werden können. Diese Forderung bezieht sich auf die Stabilität der Präparate und ist der rechtlichen Sichtweise der Eigenherstellung geschuldet, bei der der Hersteller eines Arzneimittels auch Daten über die Stabilität des Produkts vorweisen muss. Dennoch stellt dieser Punkt sicherlich für den einzelnen Betreiber eine nicht unerhebliche Anforderung dar und sollte mit Augenmaß verfolgt werden. Da der Kit-Hersteller schon entsprechende Untersuchungen für sein Präparat durchgeführt hat und dies auch mit Angabe der Verwendungsdauer in der Gebrauchsinformation dokumentiert, sollte der Betreiber dies nur stichprobenartig für seine Präparate gegen Ende der angegebenen Verwendungsdauer durchführen (z. B. 4, 6 oder 8 Std. nach Präparation je nach Kit). Damit wird überprüft, ob die Stabilität des Präparats nicht nur unter den standardisierten Bedingungen des Kit-Herstellers, sondern auch für betriebseigene Bedingungen besteht. Als letztes wird dann noch in der Richtlinie auf die dafür erforderlichen Arbeitsanleitungen zur Qualitätskontrolle und die Dokumentationspflicht hingewiesen.
Qualitätsanforderungen
Folgende Anforderungen sind laut der Richtlinie [4] bei Kit-Radiopharmaka im Rahmen von Qualitätssicherungsmaßnahmen unbedingt zu erfüllen:
1.
Qualitätskontrollen von zugelassenen Kit-Radiopharmaka sollen für jede neu angebrochene Kit-Charge und anschließend in geeigneter Frequenz erfolgen.
2.
Qualitätskontrollen sind unverzüglich durchzuführen, wenn die klinischen Untersuchungsergebnisse ein Qualitätsproblem vermuten lassen.
3.
Im Regelfall soll die vom jeweiligen Hersteller empfohlene Qualitätskontrollmethode verwendet werden. Sofern andere Methoden zur Anwendung kommen, sind diese gegen die vom Hersteller empfohlene Methode zu validieren. Die Unterlagen über diese Gegenvalidierung sind aufzubewahren.
4.
Für die Markierung und die Qualitätskontrolle der Produkte sind Standardanweisungen zu erstellen.
5.
Die Ergebnisse der Qualitätskontrollen sind zu dokumentieren und aufzubewahren.
Gegenvalidierung durchführen
Insbesondere der dritte Punkt verlangt nach einer genaueren Erläuterung, da er in seiner Konsequenz die Möglichkeiten vieler Anwender übersteigt. So stellt die pharmazeutisch konforme Durchführung einer Gegenvalidierung verschiedener Methoden eine gewisse Herausforderung dar, weshalb stattdessen eher von einem „Beleg für die Äquivalenz einer alternativen Methode” gesprochen werden sollte. So ein Beleg wäre mit vertretbarem Aufwand auch in kleineren Einrichtungen zu erbringen. Allerdings sollten zunächst die Möglichkeiten geprüft werden, entsprechende Daten über die Kit-Hersteller zu erhalten bzw. diese dazu zu bewegen, entsprechende Äquivalenzstudien durchzuführen.

4.1 Allgemeine Anmerkungen

Personal trägt Verantwortung
Für alle Substanzen, die am Menschen angewendet werden, sind strenge Qualitätskontrolluntersuchungen vorgeschrieben [2] [6]. Grundsätzlich sind diese Vorschriften auch auf Radiopharmaka anzuwenden, was jedoch zumeist wegen der Kurzlebigkeit dieser Substanzen Schwierigkeiten bereitet. Im Allgemeinen umfasst die Qualitätskontrolle einige spezifische Tests und Messungen, die die Reinheit, Menge, Produktidentität und mikrobiologische Sicherheit des Radiopharmakons garantieren. Letztlich liegt die Verantwortung bezüglich der Qualität von Kit-Präparationen beim Anwender, d. h. dem Personal einer nuklearmedizinischen Abteilung. Dieses Personal muss gut ausgebildet und erfahren im Umgang mit Radiopharmaka sein, sodass es diese Verantwortung angemessen tragen kann [5].

4.3.2 Der Begriff der radiochemischen Reinheit

Radiochemische Reinheit
Die radiochemische Reinheit (RCR) liefert eine Aussage über den prozentualen Anteil der Radioaktivität der deklarierten chemischen Verbindung an der Gesamtradioaktivität des Arzneimittels sowie über Art und prozentualen Anteil der radiochemischen Verunreinigungen. Anhand der Markierungsreaktion des 99mTc-MAG3 soll exemplarisch gezeigt werden, dass die Markierung aus verschiedenen Schritten besteht und welche Einflussmöglichkeiten zur Bildung von unerwünschten Nebenprodukten (= radiochemische Verunreinigungen) führen können (s. Abb. 2). Eingekreist sind die potenziell im Kit auftretenden Verunreinigungen, die während des Markierungsvorgangs entstehen können.
Abb. 2: Schematische Darstellung der Markierung von 99mTc-MAG3 unter Erwärmung
Folge: unnötigen Strahlenexposition
Ursachen für solche Verunreinigungen in den Präparaten können u. a. die mangelnde chemische Reinheit der inaktiven Ausgangsprodukte, eine ungenügende Ausbeute bei der Markierung durch zu hohe Radioaktivitätsmengen beim Ansatz, zu alte Eluate oder durch das Einbringen von Luftsauerstoff, die chemische Instabilität einer Verbindung und die Autoradiolyse sein. Sind in einem Radiopharmakon radiochemische Verunreinigungen enthalten, so führen sie zu einer unnötigen Strahlenexposition des Patienten und stören durch eine Erhöhung der Untergrundstrahlung aus anderen Körperbereichen die Messung am zu untersuchenden Organ [5].
Die Bestimmung der radiochemischen Reinheit gliedert sich in:
a)
die Trennung des Radiopharmakons von seinen Verunreinigungen,
b)
die Messung der Aktivitäten der getrennten Komponenten und
c)
die Identifizierung der Verunreinigungen.

4.3.3 Analysenmethoden zur Trennung der verschiedenen radiochemischen Spezies

Methoden der QK
Für die Bestimmung der radiochemischen Reinheit stehen heute Papier-, Dünnschicht-, Hochdruckflüssigkeitschromatografie (HPLC) sowie die Elektrophorese zur Verfügung. In der Praxis sind vor allem die Papier- (PC) und die Dünnschichtchromatografie (DC) verbreitet [8]. Die Technik ist einfach zu handhaben und die Trennung erfordert in den meisten Fällen keinen allzu großen Zeitaufwand. Grundprinzip aller chromatografischen Verfahren ist die Auftrennung von Stoffgemischen in die Einzelkomponenten durch eine unterschiedliche Verteilung der Komponenten zwischen zwei Phasen, die miteinander in Kontakt stehen. So ist z. B. eine von den beiden Phasen auf einem festen Träger (stationäre Phase) angeordnet und die andere wird kontinuierlich an der ersten vorbeibewegt (mobile Phase). Dabei können sich die Stoffkomponenten vielfach zwischen den beiden Phasen verteilen und werden aufgrund der unterschiedlichen Wechselwirkungen aufgetrennt [7].
Kartuschenmethode
Als eine weitere Methode hat sich in den letzten Jahren die Kartuschenmethode etabliert, die auf der Verwendung kleiner Säulen (1–2 cm Länge) beruht, die mit einem entsprechenden Trägermaterial gefüllt sind. Diese müssen vor Gebrauch konditioniert werden, d. h., sie werden in einem ersten Schritt mit einem organischen Lösungsmittel, meistens Ethanol, vorgespült und dann in einem zweiten Schritt mit einer wässrigen Phase nachgespült. Danach wird die zu untersuchende Probe aufgebracht, und die einzelnen Komponenten können mit verschiedenen Eluenten nacheinander von der Kartusche eluiert und getrennt gesammelt werden. Der Vorteil der Kartuschenmethode liegt vor allem darin, dass sie sehr schnell und einfach in der Durchführung ist.

4.3.4 Auswertung/Quantifizierung der Analyse

Die Auswertung der aufgetrennten Substanzen erfolgt durch quantitative Bestimmung der Radioaktivität. Dabei wird entweder die stationäre Phase mit einem Dünnschichtscanner abgetastet oder das Trägermaterial in Abschnitte geteilt und im Aktivimeter bzw. Bohrloch oder Probenwechsler ausgezählt. Im Falle der Kartuschenmethode werden die einzelnen flüssigen Fraktionen in den Reagenzgläsern und die Kartuschen mit unlöslichen Bestandteilen (z. B. Kolloid) einfach im Aktivimeter ausgemessen.

5 Anforderungen an den Betreiber

Die Strahlenschutzrichtlinie fordert schon seit Langem die Einführung qualitätssichernder Maßnahmen in allen Bereichen der Anwendung nuklearmedizinischer Verfahren [4]. Diese Maßnahmen sollten also auch unter Berücksichtigung der geänderten Einschätzung der Kit-Präparation als eine Herstellung im Sinne des AMG umgesetzt werden. Damit sind natürlich gesteigerte Anforderungen an die nuklearmedizinischen Einrichtungen verbunden.
Elementare Bausteine sind in erster Linie vom Betreiber selbst erstellte Arbeitsanleitungen zum Betrieb des Labors, zur Hygiene und Wartung der verwendeten Geräte sowie Arbeitsanweisungen (SOPs) zur Herstellung und Qualitätskontrolle aller verwendeten Kits. Daran schließt sich eine entsprechende Dokumentation dieser Arbeitsschritte bzw. die übersichtliche Erfassung der QK-Daten an. Damit sollte im Sinne einer Qualitätssicherung gewährleistet sein, dass die Einarbeitung von neuem Personal oder die Durchführung bei häufiger wechselndem Personal keinen Einfluss auf die Produktqualität hat.
Effiziente Produktionsprozesse
Dabei bleibt festzuhalten, dass es nicht darum geht, jede Zubereitung zu kontrollieren, sondern diese Tätigkeit sollte dazu dienen, die labortechnischen Produktionsprozesse auf ihre Effizienz zu überprüfen. Wenn man sich die relative Komplexität der Markierungschemie vor Augen hält, wird man verstehen können, dass bei aller Zuverlässigkeit der kommerziellen Produkte es auch im Interesse des Anwenders sein sollte, entsprechende Sorgfalt auf die Produkte der Eigenherstellung zu verwenden, da dies ja in der alleinigen Verantwortung des anwendenden Arztes liegt.
Um die Anforderungen zu erfüllen, sollten also beim Betreiber mindestens folgende Punkte umgesetzt sein:
aktuelle Aufzeichnungen über die verwendeten Kits und die Häufigkeit der Anwendung in der Routine;
Vorliegen von Arbeitsanleitungen für Präparation und Qualitätskontrolle aller Kits;
evtl. Vorliegen einer allgemeinen Arbeitsanleitung für den Umgang mit Radiopharmaka, insbesondere Festlegungen zu Lagerung, der Prüffrequenz und dem Umgang mit Abweichungen, sofern nicht schon in den jeweiligen kit-spezifischen Arbeitsanleitungen aufgeführt;
Vorliegen der entsprechenden Dokumentationsbögen zu Herstellung und Qualitätskontrolle;
evtl. Unterlagen zum Beleg der Äquivalenz alternativer QK-Methoden, wenn nicht nach Herstellervorgaben geprüft wird.

6 Zusammenfassung

Die Qualitätskontrolle von Radiopharmaka ist ein wesentliches Element der Qualitätssicherung im nuklearmedizinischen Labor. Da arbeitstechnische Fehler die Hauptursache für eine mangelnde radiochemische Reinheit sind, die bei der Präparation und der Handhabung von Radiopharmaka jederzeit auftreten kann, ist es wichtig, die entsprechenden Arbeitsschritte für die Präparation und die Qualitätskontrolle abhängig von der jeweiligen Einrichtung zu erarbeiten und in Standardarbeitsanweisungen (Standard Operation Procedure = SOP) festzuhalten. In einem nächsten Schritt erfolgt die Dokumentation aller wesentlichen Daten zur Herstellung und Qualitätskontrolle. Dies erleichtert die Fehlersuche und hilft, systematische Fehler bei der Präparation zu vermeiden. Wenn bei Markierungsansätzen Abweichungen ausgeschlossen werden können, kann mithilfe regelmäßiger Kontrollen die gleichleibende Qualität in der Herstellung kontinuierlich überprüft werden. Die kontinuierliche und ausführliche Dokumentation aller Daten ist letztlich der Beleg für den Qualitätsstandard einer Praxis oder Klinik. Damit sind die grundlegenden Anforderungen eines Qualitätssicherungssystems erfüllt und sollten – wenn auch in sehr einfacher Form – bei dieser besonderen Art von Arzneimittelherstellung auch pharmazeutischen Ansprüchen genügen und damit weitergehende regulierende Maßnahmen vonseiten der Aufsichtsbehörden hinfällig machen.

Quellen

1
Wester H.-J. Solbach C.: Neue gesetzliche Regelungen in der Nuklearmedizin. Der Nuklearmediziner, Thieme 2013
2
Walte A.: Rechtliche Anforderungen an die Qualität von Radiopharmaka. Der Nuklearmediziner, Thieme 2013
3
Hoope, U., Machulla, H.-J., Neumaier, B.: Zur Situation der erlaubnisfreien Selbstherstellung von Radiopharmaka in der Nuklearmedizin. Nuklearmedizin, Schattauer 2013
4
Strahlenschutz in der Medizin. Richtlinie zur Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV), RS II 4–11432/1
5
Gildehaus F. J.: Ziele der Qualitätssicherung im nuklearmedizinischen Labor. Der Nuklearmediziner, Thieme 2009
6
Deutsches Arzneibuch 2012, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, Amtliche deutsche Ausgabe 2015
7
Brandau, W., Hotze, L.-A., Meyer, G.-J.: Radiochemie. In: Büll, U., Schicha, H., Biersack, H.-J. et al. (Hrsg.): Nuklearmedizin. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1994
8
Hammermeier, A., Reich, E., Bögl., E.: Qualitätskontrolle von in-vivo Radiopharmaka. Ein Handbuch für das nuklearmedizinische Labor zur Analytik radiochemischer Verunreinigungen. ISH-Heft 94, Forschungsbericht des Instituts für Strahlenhygiene des Bundesgesundheitsamtes, BGA-Hausdruckerei 1986
 

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